Wenn Mauern fallen (Hilde Willes) (2024)

Wenn Mauern fallen (Hilde Willes) (1)

Wenn Mauern fallen – Hilde Willes

Er kommt aus dem Osten und findet in einem westlichen Dorfladen ein Weihnachtsgeschenk für seine Mutter, eine Schmetterlingslampe. Und die Liebe seines Lebens!

West vermischt sich mit Ost, Schicksale werden neu geboren. Doch das Leben ist kein Märchen und Glück manchmal vielleicht zu groß, als dass es für alle Zeiten halten könnte.

Der Mauerfall mit seinen Auswirkungen im Leben einer Frau und einem Ort an der ehemaligen innerdeutschen Grenze zieht den Leser in den Strudel unserer jüngsten Geschichte hinein und lässt ihn bis zu letzten Seite nicht mehr los. Heimatverbundenheit, Liebe, Neid, Dramatik, Trauer und das Nachempfinden neuer Hoffnung zeichnen diese Ost-West-Geschichte aus, die dennoch mehr ist als das. Es ist eine Geschichte, die davon handelt, niemals aufzugeben und den Mut nicht zu verlieren.

Copyright © 2015 – 2018 Hilde Willes – publiziert von telegonos-publishing

2. Auflage

www.telegonos.de

(Haftungsausschluss und Verlagsadresse auf der website)

Cover: Azrael Ap Cwanderay

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

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„In unserem Seelenleben liegen zwischen Blitz und Donner oft viele Jahre“ (Hans Arndt)

Es gibt sie, diese Zündholz-Momente, wo man urplötzlich weiß, jetzt muss etwas geschehen. Kein Zögern und Zaudern mehr, selbst wenn einem noch gar nicht klar sein kann, wohin es einen treiben wird. Manchmal braucht’s auch einen langen Anlauf, ehe man diese entscheidende Stunde erreicht. Und wird es auch gut werden? Doch eines ist plötzlich glasklar, so wie es ist, so kann es nicht bleiben!

In diesem Jahr der Neuauflage meines Debüts erschien in einigen bekannten Frauen-Journalen Berichte über mich zum Thema Wie weitermachen, wenn nichts mehr geht? In den Interviews sprach man von einem Befreiungsschlag. Und ja, auch wenn sich das schon ziemlich dramatisch anhört, das Schreiben (und Veröffentlichen) von „Wenn Mauern fallen“ war seinerzeit mein Befreiungsschlag! Was Sie jetzt in Händen halten, liebe Leserin, lieber Leser, das ist mein Zündholz-Moment, der im Folgenden natürlich noch einen weitaus längeren Entwicklungsweg benötigte, als das Aufflackern eines Streichholzes.

Die Erstfassung schrieb ich in den Jahren 2014/15. Eine Zeit, die ich ohne zu übertreiben eine der schlimmsten (aber irgendwo auch besten) meines Lebens nennen kann, die nur so schrie nach Veränderung und sehr viel Mut und Zuversicht brauchte. Ich frage mich noch heute manchmal, wo ich’s eigentlich hernahm. Ich weiß es nicht, aber dieser Roman hatte einen gehörigen Anteil daran. Nein, mehr noch, ich bin ziemlich sicher, dass mein Zündholz-Moment nicht gekommen wäre, hätte ich dieses Buch nicht geschrieben. Und deshalb wird es immer eine ganz besondere Bedeutung für mich haben.

Doch nun genug der furiosen Worte, Zeit für Freude, Zeit für Merci!

Danke an meine Kinder, meine Familie, Freunde und Kollegen, die ganz sicher so manches Mal Nachsicht üben müssen, weil Hilde nicht immer so WILL wie sie, sich zuweilen abschottet und gedanklich sonst wo rumtreibt.

Danke an den Schriftsteller Rolf Palm (u. a. Die Brücke von Remagen), der mich seinerzeit auf die Spur brachte, weil er sagte: „Wenn du eine Idee hast, Hilde, wenn du schreiben willst, dann tu es! Ich bin sicher, du kannst es.“

Danke an Hans-Joachim Gille, der mir während der Überarbeitung eine große Hilfe gewesen ist, indem er Korrektur las und dabei den einen oder anderen Fauxpas entdeckte.

Danke an Azrael Ap Cwanderay (Thorsten Perne), der mir nun zum dritten Mal ein schönes Buchcover erstellte, und Dankeschön an Heinz Rochholl, der mich 2015 mit in die Familie seines Telegonos-Verlags aufnahm, auf dass ich meine persönlichen Mauern noch ein Stück weit mehr einreißen konnte.

Last but not least … Tausend Dank und mehr an Sie, liebe Leserin, lieber Leser! Dafür, dass Sie meinen Zündholz-Moment nun lesen möchten. Ich will Sie auch gar nicht weiter aufhalten, wünsche Ihnen viel Vergnügen und so manch bewegende Stunde.

Nur eins noch … was auch immer in Ihrem Leben geschieht, denken Sie am Ende des Tages daran:

„Wer sich entschließen kann, besiegt den Schmerz“

(Johann Wolfgang von Goethe)

Auch ein Dorf kann eine ganze Welt sein.

Es kann eine Zeit haben, in der es fröhlich vor sich hinlebt,

eine nächste, in der es anfängt, hoch nach oben zu schweben

und eine, in der es niederfällt,

wo es scheint, als fiele es in einen tiefen Schlaf.

nur hin und wieder hört man es im Traume leise seufzen…

Prolog

In manchen Nächten war es einfach so. Dann wurde es stark und mächtig. Zu stark, zu mächtig! Dann wollte sie ihn haben und wusste, er würde kommen, wenn sie ihn rief.

Das Warten auf den Moment steigerte dieses knisternde Gefühl fast bis ins Unermessliche. Jedes Mal, wenn es wieder soweit war. Wie ein mythisches Zeremoniell, fast könnte es einen in Abgründe reißen.

Es waren ja doch nur diese Empfindungen und die tiefe Sehnsucht nach dem, was einmal ihr Leben bedeutete. Nach Ganzheit in allem, was es umfasste. Eine Symmetrie aus Übereinstimmung, Solidarität und Vereinigung im Namen der Liebe. Das verlorene Gefühl, Wahrnehmung von Drängen und Hitze, Wünschen und Hoffen, Lust und Leidenschaft. Und dieses Versprechen, auf das er hätte hören sollen. Menschlich, nur menschlich! Man musste nachsichtig sein, hin und wieder sogar mit sich selber.

Dieses Ritual, wenn sie sich vorbereitete. Hundert Bürstenstriche für das Haar, nur ein wenig Lippenstift. Das Parfüm an die Stellen, wo sie seine Küsse bereits spürte. Rondo Veneziano aus dem Player, es passte gerade so schön. Ein Schluck Wein aus dem langstieligen Glas, rot wie die Liebe. Lächelnd, wissend, den hauchdünnen Stoff der Nylons in den Händen spürend, das knisternde Geräusch beim Hochziehen. Manchmal hatte er ihr dabei zugesehen.

Allein schon das so hoch erotisch, neben der Erwartung. Sie loderte von Minute zu Minute höher, genauso wie die Flammen im Kamin. Leckten an den Holzscheiten, umgarnten sie. Ohne Gnade, viel zu heiß, um viel zu tragen.

Blick aus dem Fenster hinein in die Nacht, auf ein schlafendes Dorf im Schimmer der Laternen und auf den lächelnden Mond. So sehnsüchtig, aber auch so still und friedlich, diese Nacht. Sie hatte ihre Sterne ja gar nicht verloren. Nicht wirklich!

Und dann rief sie ihn. Wusste, es konnte nicht mehr lange dauern, ließ sich nieder auf dem weichen Fell vor dem Kamin. Ein vergangener, gemeinsamer Lieblingsplatz, wo man sich hingeben konnte. Wo man sich öffnete, ganz wie von selbst.

Und immer wieder dieser verbliebene Wunsch. Vielleicht kam ja irgendwann die Nacht, an dem die Mauern noch einmal fielen und er würde bleiben.

Für immer?!

Der Traum

In dieser Nacht hatte sie einen seltsamen Traum.

Da gab es ein Schloss, irgendwo in einem grünen Tal, umgeben von sanft geschwungenen Wiesen und Feldern, einen dichten, dunklen Wald im Hintergrund.

Die Prinzessin tänzelte in ihrem wunderschönen Kleid durch den Palast, im Haar ein funkelndes Diadem. Überall, wohin sie kam, schenkten ihr die Menschen ein liebes Lächeln.

Im Thronsaal saß das Königspaar mit seinem Hofstaat, die Minnesänger trällerten fröhliche Lieder und der Narr scharwenzelte um sie herum. Emsiges Hin und Her herrschte in der großen Küche. Ein Festmahl wurde zubereitet, und die Prinzessin durfte vom Kuchenteig naschen. Wohin man auch guckte, putzten und schmückten fleißige Diener das Schloss, und in dem weitläufigen Park waren unzählige Gärtner mit großen seltsamen Scheren zugange, aus den Hecken kunstvolle Figuren zu zaubern.

Auf hohen Schuhen spazierte die Prinzessin durch den Schlosshof. Das lange Haar wehte im Wind, als sie die Treppen zum Turm hinaufstieg. In der Ferne erspähte sie drei edle Ritter, die auf ihren stolzen Rössern herantrabten, und plötzlich war ein rauschendes Fest im Gange mit Musik und Wein und all dem guten Essen. Die Ritter kamen und stachen sich gegenseitig aus, um die Gunst der Prinzessin zu erlangen. Sie waren höflich und zuvorkommend und sehr, sehr nett. Einer nach dem anderen tanzte mit ihr und sie tanzten wundervoll. Aber die Prinzessin konnte ihre Verehrer unter den Rüstungen nicht erkennen.

Plötzlich bildeten diese ein Dreieck und wirbelten die Prinzessin von einem zum anderen, immer schneller, immer ungestümer, immer rasanter. Die Erde begann sich zu drehen. Ihr wurde ganz schwindelig, auch von dem dröhnenden Lachen der drei, das wie ein höhnisches Echo von allen Wänden widerhallte. Sie verlor den Boden unter den Füssen, das blitzende Diadem lockerte sich und fiel herunter. Aber sie konnte es nirgends erspähen, so sehr schwankte es um sie herum.

Und dann war mit einem Schlag alles still. Wie erstarrt, dass der eigene Atem sich anhörte wie eine galoppierende Herde wilder Pferde.

Die Prinzessin fand sich ganz alleine im winzig kleinen Schlossturm wieder, über die Maßen verwundert über das, was geschehen war. Keine Musik war mehr zu hören, kein Gelächter und kein Stimmengewirr. So, als hätte sich alles schlafen gelegt, und die drei Kavaliere waren verschwunden.

Sie hätte gerne aus dem kleinen runden Fenster hinausgesehen, versuchte verzweifelt, dorthin zu gelangen. Aber es war einfach nicht möglich, so sehr sie sich auch anstrengte. Sie konnte noch nicht einmal erkennen, ob der Himmel über dem Turm blau war.

Noch bevor sie mit einem erschreckten Ruck aus diesem Traum erwachte, drehte sich die Prinzessin um und Conni erkannte, dass deren Gesicht ihr eigenes war.

Damit war die Nacht definitiv zu Ende, halb fünf in der Früh. Wo der Wecker doch erst in einer Stunde geklingelt hätte! Verwirrt von diesem seltsamen Traum schlich Conni fröstelnd auf leisen Sohlen durch den Flur. Die Kinder schliefen noch, sie wollte sie nicht vor der Zeit wecken. Aber die Kaffeemaschine, die musste zuerst in Gang gesetzt werden, wie jeden Morgen. Sie brauchte den Duft und die Wirkung, um richtig wach zu werden.

Das Spiegelbild zeigte ein verknittertes Gesicht, bleich, nach allen Seiten wirr abstehendes Haar. Kastanienrot, aber früher war die Farbe auch mal intensiver gewesen.

„Boah!“, knurrte sie sich entgegen. „Schau dich an, du irre Träumerin! So kannst du wirklich keinen Blumentopf gewinnen!“

Ganz offensichtlich war ein dringender Friseurbesuch ratsam. Vielleicht, in Anbetracht der Tatsachen, gar noch eine Kosmetikerin!?

„Kannst du dir sowieso nicht leisten!“, zog sie einen Flunsch. „Und überhaupt, wozu denn?!“

Eine heiße Dusche tat unglaublich gut, wischte den Traumschweiß weg. Mit Föhn und Bürste gelang es sogar, eine halbwegs ansehnliche Frisur zu basteln. Eine wenig Farbe aus der Kosmetikkiste tat das Übrige, sich wenigstens ein bisschen mehr als Jemand und nicht wie Irgendwer zu fühlen. Doch eigentlich war das gar nicht so wirklich wichtig. Oder?!

Noch besser wurde es dann mit dem Kaffeebecher in der Hand. Draußen noch finster, der runde Mond wie eine reife Orange am Himmel. Er war schon immer Connis Freund gewesen, auch wenn er nie auf all ihre Fragen antwortete.

Ob sonst überhaupt irgendwer auf dieser Welt je bemerkt hatte, dass das fahle Mondgesicht da oben wahrhaftig ein Lächeln in sich trug?

Immer, wenn er so am nächtlichen Himmel leuchtete, konnte sie es sehen und deshalb war er ihr Freund. Mit diesem Gefühl nahm sie den neuen Tag an. Der merkwürdige Traum war fast vergessen.

Genügend Zeit noch, um Wäsche zu falten und das Frühstück vorzubereiten, dabei im Geiste den bevorstehenden Tag planen. Einkaufen gehen schien sehr vonnöten, denn der Kühlschrank gähnte vor Leere. Der Einkaufszettel wurde an die Pinnwand geheftet, neben die vergilbte Ansichtskarte mit dem Sonnenuntergang am Strand. Sie hing schon so lange dort. Wer hatte sie geschickt? Da war ja auch der Zettel von der Reinigung. Total vergessen! Vielleicht konnte man Nele dazu bewegen, das Wäschegut abzuholen, und gleich noch, weil’s auf dem Weg lag, das Rezept beim Arzt?!

Tims Zimmer musste ebenfalls wieder aufgeräumt werden. Man konnte ja nicht mehr mit dem Staubsauger durchkommen, ohne dabei gefühlte zehntausend Legosteinchen aufzuschlürfen. Es gab allerhand zu tun. Die Verpflichtungen hörten niemals auf. Aber manchmal war’s auch egal. Mit der Zeit lernte man das Liegenlassen, zumindest so lange, bis es überhandnahm.

Am späten Nachmittag wollte Conni, wie versprochen, ihrer Freundin Beate mit der Buchhaltung helfen, und dann war der Tag auch schon wieder zu Ende. Einer von vielen sich stets gleichenden, die zu Wochen, Monaten und Jahren wurden.

Doch Gott sei Dank war man ja nicht pessimistisch oder trübsinnig. Überhaupt nicht! Gar nie nicht! Sonst hätte man vielleicht schon manches Mal innegehalten und sich gefragt, ob das wirklich schon alles im Leben gewesen sei. Und man hätte … ja, was hätte man denn dann?

Aber nein, so war Conni ganz und gar nicht! Und der Mond da oben am Himmel, der wusste das. Deshalb lächelte er ihr ja in regelmäßigen, immer wiederkehrenden Abständen zu. Genau das machte ihn ihr zum Freund. Selbst wenn sie sich trotzdem so manches Mal fragte, ob es nicht doch noch irgendetwas anderes geben musste?!

Ein Blick auf die Uhr, jetzt war es Zeit für die Schlafmützen. Zuerst Neles Zimmertür, die sie leise öffnete. Im sanften Lichtschimmer, der nun vom Flur hereinschien, sah man nur das lange, auf dem Kissen ausgebreitete Haar.

„Liebes! Gleich halb sieben. Zeit zum Aufstehen!“ Das Gesicht zur Wand, aber sie rührte sich gleich. „Jaaa! Zwei Minuten noch! Und mach bloß kein Licht an!“

Unnötig, es immer wieder zu erwähnen, weil Conni es doch wusste. Sie alle mochten es nicht, sofort helles Licht beim Aufwachen! Gerade deshalb waren die Tage im Herbst so prima, wenn sie anfingen, später zu beginnen.

Auch bei Tim war das so. Allerdings bewegte sich der neunjährige Knirps auf den Zuruf seiner Mutter noch lange nicht. Drum bahnte diese sich wie eine Slalomläuferin einen Weg durch die überall herumliegenden Spielsachen zum Bett. Zuckte zusammen, weil sie, nur Socken tragend, doch auf irgendetwas Spitzes trat. „Au! Verdammt!“ Also, hier musste wirklich aufgeräumt werden. Da ging kein Weg mehr dran vorbei!

Conni ließ sich nieder auf dem Bettrand und suchte unter der warmen Bettdecke den mageren Jungenkörper. Kitzelte ihn am Bauch, damit er wach wurde. Tim brauchte seine Zeit, um aufzuwachen, aber er war kein Morgenmuffel. Etwas von so manchem, was er von seinem Vater fürs Leben mitbekommen hatte, und wenn seine Augen endlich offen waren, tat es sein Mundwerk gleich nach.

„Mama! Am Samstag auf dem Fußballturnier, da werde ich fragen, ob ich nicht auch mal im Sturm spielen kann. Ich will nicht immer nur in die Abwehr. Ich will Tore schießen!“

„Ja, mein Kleiner“, zerzauste Conni sein Haar. „Das mach mal! Aber jetzt stehst du auf und ziehst dich an. Frühstück ist fertig! Keine Trödeleien mehr!“

Doch bis die kleine Familie schließlich gemeinsam das Haus verlassen konnte, musste es sehr wohl noch eine Menge Aufforderungen geben, endlich in die Pötte zu kommen.

Sowohl bei Nele, die ewig brauchte, sich zu entscheiden, was sie anziehen wollte und bis das Haar richtig saß, als auch bei Tim, der lieber mit seinem Nintendo spielte, als sich die Schuhe zu binden. Die Schultaschen waren nicht fertig gepackt. Hin und her wurde gesprungen, um hier noch ein Buch oder da ein Federmäppchen zu suchen.

Dabei kam man sich ins Gehege, es wurde gestritten. Auf Neles Jacke fand sich urplötzlich ein Fleck, woraufhin diese partout nicht angezogen werden wollte.

„Wir hätten sie noch waschen können! Warum hast du nicht rechtzeitig was gesagt? Die andere Jacke kannst du nicht anziehen. Die ist viel zu dünn! Kein Sommer mehr, falls dir das noch nicht aufgefallen ist!“, schimpfte eine genervte Mutter.

Trotzdem wurde die sommerliche Variante gewählt. Da half alles ärgerlich besorgte Augenrollen nichts.

Vor der Haustür fiel Tim ein, dass er seinen Sportbeutel vergessen hatte. Also noch mal die Treppen hoch gespurtet und das verflixte Ding gesucht.

Dann das letzte Abschiedsküsschen.

Tim ging seinen Schulweg zu Fuß.

Nele hatte nur ein paar Schritte bis zur Bushaltestelle. Ihre Schule war zwar genau wie der Arbeitsplatz ihrer Mutter im acht Kilometer entfernten Kreisstädtchen, aber meistens wollte der Teenager mit seinen Freundinnen zusammen dort ankommen, zumindest heute war das so.

Conni winkte beiden noch einmal zu, ehe sie ihren Fuß aufs Gaspedal trat, mit einem kleinen Seufzer auf den Lippen. Wenn der Tag sie gepackt hatte, dann gab es keine Grübeleien mehr und keine fragenden Gedanken.

Was sollte das schon bedeuten, ob noch etwas anderes im Leben kommen würde? Ob das schon alles gewesen wäre? Viel mehr wäre doch eh fast nicht zu verkraften, oder?!

Während sie die letzten Zahlen auf der Computertastatur eintippte, trank sie den bereits kalt gewordenen Rest vom Herbstzauber. Beate immer mit ihrer Tee-Schatzkiste! Jedes Mal, wenn Conni kam, um die Buchführung auf Zack zu bringen, zauberte ihre Freundin eine andere Sorte hervor mit den Worten: “Schau mal, meine Liebe, was ich heute für dich habe! Damit dir die ganzen Zahlen da nicht so trocken werden!“

Dann lachte sie, wie sie immer lachte mit ihrem heiteren und fröhlichen Wesen und trotz ihrer fortschreitenden Krankheit. Denn wegen des Rheumas hatte sie ja diese Schwierigkeiten am PC. Die Finger wollten einfach nicht mehr so wie sie.

„Aber du weißt ja“, sagte sie hin und wieder, „davon lassen wir uns mal gar nicht aufhalten. Unkraut vergeht nicht!“

Dennoch wusste Conni, dass diese heitere Stärke manchmal nur aufgesetzt war. Selbst vor ihr, der allerbesten Freundin, verbot Beate sich, allzu viel Schwäche zu zeigen.

Conni sträubte sich jedes Mal, den Obolus für ihre Hilfe anzunehmen. Aber die Freundin zwang ihn ihr förmlich auf und wenn sie es nicht schaffte, dann kam Hugo hinzu. Der kannte nun überhaupt kein Pardon. „Zumindest für die nie enden wollenden Wünsche deiner Kinder wird’s schon gut sein!“, bestimmte er und steckte den Geldschein einfach in Connis Dekolleté.

„Noch lange zu tun?“ Beate lugte zur Bürotür hinein. Wie meistens trug sie Jeans und eines ihrer geliebten karierten Männerhemden mit einer Steppweste darüber. Ihr halblanges blondes Haar hatte sie mit einem Band im Nacken zusammengebunden, aber einige der Locken fanden immer den Weg in die Freiheit.

„Nein! Ich bin gleich fertig. Nur noch ausdrucken und wegheften.“ Die Freundin nickte. „Hast du noch ein bisschen Zeit? Weil, ich müsste dir was sagen.“

Es war kurz vor 19 Uhr, eigentlich knapp! Die Kinder warteten sicher schon, aber irgendetwas in Beates Stimme klang alarmierend.

„Klar hab ich Zeit! Wenn du noch ein Stück von deinem Apfelkuchen rausrückst?!“

Herzliches Lachen war die Antwort und klappernde Geräusche aus der Teeküche, während Conni sich reckte und streckte. Schon so viele Stunden an diesem Tage am Schreibtisch zugebracht, erst im Büro und jetzt noch hier. Das bekam dem Rücken nicht. Sie müsste sich unbedingt wieder etwas mehr bewegen, aber meistens hatte sie keine Lust dazu. Oder wenn, dann fühlte sie sich viel zu müde.

Beim Zusammenräumen der letzten Papiere fragte sie sich, was Beate wohl auf dem Herzen hatte. Vielleicht musste sie wieder in irgendeine Klinik zu erneuten Untersuchungen und Behandlungen? Hugo würde es alleine nicht schaffen. Möglicherweise wollte sie fragen, ob Conni im Geschäft aushelfen konnte, wie schon so oft?!

Ein Lampenkatalog fiel ihr in die Hände. Gleich vorne auf dem Deckblatt das Bild einer Tiffany-Tischlampe in Form eines Schmetterlings. Wie ein Pfeilstoß mitten ins Herz traf sie die Erinnerung. Denn so eine ähnliche Lampe war Conni schon einmal auf bedeutsame Weise begegnet. Lange Zeit hatte sie dort gestanden auf dem Regal, hier in Beates Laden, wie eine Königin zwischen all den anderen.

Bis eines Tages einer kam, der sie mitnahm. So hatte alles angefangen … damals.

Beate drückte mit dem Ellenbogen die Tür auf, Kuchen und dampfende Tee-Pötte vor sich auf dem Tablett. Schöne große Tassen mit bunten Mustern und Lebensweisheiten, wie sie auf Kalenderblättern zu finden waren. Beate stand auf so was. Und ob es etwas zu bedeuten hatte, dass auf Connis Pott Himmelblau stand, darüber wollte sie gar nicht weiter nachdenken. Aber für einen kleinen Moment fiel ihr der merkwürdige Traum wieder ein.

„Und? Wie läuft´s daheim? Was machen die Kinder?“

Mit beiden Händen die himmelblaue Teetasse umschließend, antwortete Conni: „Ganz gut eigentlich, wie immer halt. Nele schreibt grade an ihrer großen Hausarbeit. Muss sie spätestens bis zu den Weihnachtsferien abgegeben haben. Diesmal hat sie sogar zeitig genug damit angefangen. Was bin ich froh, dass sie nicht wieder auf den letzten Drücker … Du weißt schon! Und Tim, alles gut soweit! Am Samstag ist Fußballturnier. Darauf freut er sich schon wie verrückt!“

„Prima!“, Beate nippte an ihrer Tasse, die ein Stückchen Strandsaum zeigte und irgendwas von neuen Ufern erzählte. „An der Arbeit alles okay?“

„Ja klar. Im Moment ein bisschen stressig wie jedes Jahr, wenn´s langsam auf das Ende zugeht! Neulich gab es eine Besprechung mit den Chefs. Scheint so, als verlieren wir ein paar Mandanten, weil sie ihre Geschäfte zu machen. Wir sollen Augen und Ohren offenhalten und versuchen, neue Kundschaft ranzuholen.“

„Witzig! Woher nehmen, wenn nicht stehlen?! Ist doch überall tote Hose hier! Ständig macht ein anderer Laden dicht. Dann kommt der nächste, um bald wieder pleitezugehen. Echt schlimm!“

„Du hast recht, Beate! Irgendwie sieht’s auch nicht so aus, als ob das alles mal besser werden würde. Ich frage mich wirklich, ob die Autobahn so vieles verändern kann, wie immer behauptet wird?“

„Vielleicht schon. Aber bis die fertig ist! Ob wir das noch erleben?!“

Seit einer gefühlten Ewigkeit schon bauten sie an der A44 herum. Das konnte noch dauern und ob es wirklich Auswirkungen auf das wirtschaftliche Leben hier haben würde?

„Und sonst, Conni?“ Beate hatte den Katalog mit der Schmetterlingslampe auf dem Cover entdeckt. Eine Weile sahen sich die Freundinnen schweigend an. Jedoch kannten sie einander so gut, dass die eine die Antwort, die die andere nicht gab, auch so verstand.

„Worüber wolltest du eigentlich mit mir reden?“, besann Conni sich, denn die Zeit rannte ihr davon. Sie musste nach Hause. Beate streckte ihren Rücken durch. Es schien, als müsse sie sich einen inneren Ruck geben und strich sich eine der Locken zurück, die übers Auge gefallen war. Dann fing sie an, von jener Zeit zu sprechen …

Als sie mit Hugo das Handwerksgeschäft übernahm, im Sommer 1987. Obwohl Conni das alles bereits kannte, hörte sie aufmerksam zu, weil das Gefühl aufkam, dass ihre Freundin für das, was sie sagen wollte, eine Einleitung brauchte.

„Du weißt“, so ging es weiter, „meine Eltern hatten keinen Bock mehr auf all das hier. Sie fühlten sich zu müde, zu alt, was weiß ich. Vater hat zwar trotzdem ab und an nach dem rechten geschaut und in der Werkstatt die kleineren Sachen repariert. Aber so, wie er gerade Lust und Laune hatte. Sich ganz und gar zurückziehen, das brachte er doch noch nicht fertig. Immerhin war das hier ja sein Lebenswerk gewesen.“

Aber Beates Mutter hatte keine Lust mehr gehabt, jeden Tag im Laden zu stehen, Schalter und Steckdosen, Lampen oder Waschmaschinen zu verkaufen und sich das Genöle der Leute anzuhören, wie sie immer klagte. An den staubigen Elektrokabelrollen im Schuppen wollte sie sich schon gleich gar nicht mehr die Hände schmutzig machen. Viel lieber grub sie in ihrem kleinen Garten hinter dem Haus herum und da war es ihr auch schnurzpiepegal, ob die Hände sauber blieben oder nicht.

Beate und Hugo waren damals bereits verlobt und er passenderweise Elektriker. Sie bekamen das Geschäft von den Eltern überschrieben. Deswegen musste geheiratet werden, damit „klare Verhältnisse“ herrschten. Aber das hatten sie sowieso vorgehabt.

„Deine Hochzeit damals! Das war so toll!“, schwärmte Conni. Sah ihre Freundin noch vor sich in dem langen weißen Kleid mit einem Schleier, der bis zum Boden reichte. Fantastisch sah das aus! Nachdem das glückliche Paar sich das Ja-Wort gegeben hatte, wurde es in einer wundervoll geschmückten Kutsche, gezogen von zwei prächtigen Hannoveranern, abgeholt.

Ein Drittel des Ortes hatte Spalier gestanden vor der Kirche und Rosenblüten oder Reiskörner geschmissen. Das zweite Drittel trabte fröhlich einander eingehakt hinter dem Landauer her.

Der Rest stand winkend an den Wegen, die hin zu den Feierlichkeiten führten. Eine Hochzeit war immer eine große Sache im Ort. Man kannte sich, man begegnete sich oft. Da hatte man noch tagelang was drüber zu reden.

Ebenfalls über die riesige Hochzeitstorte mit rosa Marzipanrosen neben den vielen anderen Köstlichkeiten. Natürlich war auch der in Strömen fließende Alkohol stets ein beliebtes Thema und die Auswirkungen, die er haben konnte. Die wurden hinterher ganz besonders gern aufs Korn genommen.

„Weißt du noch, der Holunderlikör von deiner Mutter?!“, prustete Conni los. „Der hatte es mir schon immer angetan.“ Wovon sie an Beates Hochzeit den Rausch ihres Lebens bekam. Gleich mehrere Tage hatte er ihr gekostet, bevor sie wieder in die Reihe gekommen war.

„Du kannst eine Flasche haben, Conni! Ich mach den jetzt selbst jedes Jahr. Nach dem speziellen Rezept meiner lieben Mama!“ Es klang gewollt geheimnisvoll.

Musik war immer sehr wichtig bei solchen Events. Damals hatte sich die hiesige Akkordeongruppe formiert, um das Essen musikalisch zu untermalen. Auch der Bläserchor des Pfarrers wollte zeigen, was er draufhatte. Am Ende war es egal und sie blieben alle, um ordentlich mitzufeiern.

„Und dann dieser Auftritt von euch! Das war der absolute Hit!“, kicherte Beate.

Weil, all ihre Freundinnen hatten heimlich einen Cancan in herrlichen Kostümen einstudiert. Zwei davon krabbelten mit aufreizenden Tanzbewegungen aus der riesigen selbstgebastelten Pappmaché-Torte und dann wurden die Beine unter den Röcken nur so geschwungen.

Die Nacht schon weit fortgeschritten und eventuelle Hemmschwellen von diversen Gläsern Bier, Wein oder besagtem Likör einfach weggeschwemmt. Was den einen oder anderen Kerl mit glasigen Blicken auf die neckischen Strumpfbänder stieren ließ, wenn sie zum Vorschein kamen. Ein schüchterner Junggeselle vom Bläserchor riss aus lauter Verwirrtheit das komplette, aber Gott sei Dank schon sehr leergefegte, Buffet um. Gerade er lachte heute noch am lautesten darüber. Weil, mittlerweile längst nicht mehr befangen und unbeholfen, sondern glücklich verheiratet und Vater von fünf Kindern, zwei Zwillingspärchen darunter.

„Ach Beate, lass das lieber mit deinem Likör! Du kannst mir ja zu Weihnachten eine Flasche schenken. Wenn ich dran denke, wie ich mich damals noch blamiert habe auf deiner Hochzeit!“ Daran dachte man jetzt aber nicht, es gab Wichtigeres.

Direkt ein Jahr später bekamen Beate und Hugo ihre geliebte Tochter Maike. Sie führten zusammen dieses Geschäft und lebten ihr Leben. Alles war gut … soweit. Auch als Beates Krankheit kam, blieb trotzdem alles gut. Sie war eine Kämpfernatur, die sich einfach nicht unterkriegen lassen wollte. Dennoch konnte das, was sie erzählen wollte, nur mit diesem vermaledeiten Rheuma zusammenhängen. Conni war sich dessen so sicher. Aber als Beate dann sagte, was wirklich los war, konnte sie die andere nur noch wortlos anstarren.

„Conni, wir werden das Geschäft zu machen und weggehen von hier!“

„Was wollt ihr???“

„Das überlegen wir schon eine ganze Weile. Jetzt ist es spruchreif. Wir werden nach München gehen zu Maike. Sie erwartet ihr drittes Kind und braucht jede Hilfe, die sie nur kriegen kann. Schau, wir sehen sie doch so selten und auch die Kleinen. Wir kriegen kaum mit, wie sie aufwachsen! Sie haben vor kurzem ein Haus gekauft, am Rande von München mit viel Natur drum herum für die Kinder. Da gibt es eine kleine Einliegerwohnung. Wunderbar wird das sein für Hugo und mich. Wir werden in ihrer Nähe leben und können helfen. Conni, verstehst du das?“

Später, als sie im strömenden Regen durch die wie leergefegten Straßen nach Hause ging, war ihr natürlich völlig klar, warum Beate und Hugo fortgehen wollten. Das Geschäft lief schon lange nicht mehr. Sie hielten sich gerade so über Wasser und ob es je besser werden würde? Sie wurden älter und Beate war nicht gesund. Ihre Tochter lebte mit ihrer Familie längst woanders. Sie würde nicht mehr hierher zurückkommen. Das Geschäft brauchte keinen Nachfolger mehr. So viele gingen weg. Häuser und Wohnungen standen leer, fanden nur selten jemanden, der sich ihrer annehmen wollte. Gab es hier denn überhaupt eine echte Zukunft?

Jedenfalls nicht so richtig. So sah es doch aus, so fühlte es sich an. Eine gewisse Trostlosigkeit war wohl zu spüren. Conni wurde ja selbst oft genug angst und bange, wenn sie daran dachte, was aus Nele und Tim eines Tages werden sollte?! Hier?! Auch sie würden weggehen, wenn der Zeitpunkt gekommen war. Da gab es sicherlich nicht mal ein Vielleicht. Selbst wenn es Heimat war, Zuhause, dort, wo ihr Herz wohnte.

Diese Kirche mit der immer etwas schief wirkenden Turmspitze, mit dem Platz davor, wo Bänke zum Ausruhen und Innehalten einluden, neben dem kleinen Brunnen, der abends beleuchtet war. Hier führten die Wege oft vorbei, wie eben auch jetzt.

Unzählige Male hatten Conni und Beate dort gesessen in der ganzen langen Zeit, die sie sich schon kannten.

Wundervolle gemeinsame Kindheit!

Verrückte aufregende Teenagerzeit!

All die Geheimnisse, die sich gegenseitig anvertraut wurden, dort hockend bei Wind und Wetter. Gestritten, mindestens drei Tage lang kein einziges Wort mehr miteinander gesprochen und sich dann doch wieder heulend in die Arme gefallen. Herumgealbert, wie blödsinnig gekichert, Trost und Rat gespendet, wenn es nötig war. Sich geholfen, immer füreinander da gewesen. Quasi das ganze bisherige Leben miteinander verbracht.

Der Wind zerrte an Connis Schirm, Regen klatschte gegen die Jeans. Unangenehm klamm, und nicht nur an den Beinen, sondern bis ganz tief nach innen, während sie nach Hause stiefelte. Vorbei an der Gaststätte, in der auch Beates und Hugos Hochzeit gefeiert wurde. Von der sie damals genau diesen Weg heim gewankt war, voll wie eine Haubitze. Der Holunderlikör!

Vor einigen Minuten noch hatten sie über Connis große Blamage gekichert, wegen des Geheimrezeptes der Likörbrauerei. Diesem Gesöff konnte man einfach alles in die Schuhe schieben. Und nun sah Conni es wieder vor sich, als wäre es gestern gewesen. Als die Musikband eine Pause einlegte und die Akkordeonspieler samt Bläser-Jungs bereits nicht mehr in der Lage waren, mit ihren Instrumenten umzugehen. Wie Conni versuchte, auf die Bühne zu krabbeln. Mindestens drei Anläufe hatte es gebraucht, ehe sie endlich oben war und mutig an das Mikrophon klopfte. Es brummte und dröhnte, also funktionierte es auch. Und alle schauten her.

„Hallo Leute!“, schallte es irrsinnig laut durch den ganzen Saal. Hoppla, man durfte wohl nicht so grölen!

„Licht aus! Spot an! Hier kommt Conni Richter!“

Das Mikro quietschte, aber die ersten unten im Saal fingen an zu lachen. Irgendjemand war sogar spontan genug, das Licht zu dämmen. Anscheinend fand dieser sogar noch auf die Schnelle eine Taschenlampe, dessen Strahl er auf Fräulein Superstar richtete.

„Wissst ihr eigendddlich, was schon immer mein Traum gewwwesen ist? Neiiiin, nich? Na gut, ich verrrat’sss euch ma! Aufff’m Biratenschifff mitfffahren. Wwwo es solche Matrooosen gibt. Biraten, sooo wilde Kerle mmmit nackter Brrrust und Tätttowierungen! Und ichhh gaaanz allleine mit den gaaanzen annnimalischen Kerlen da!“

Als wenn an diesen lallenden Worten nur ein Fünkchen Wahrheit gewesen wäre! Gerade Conni, mit ihrer weniger als einer Handvoll nichtssagender Erfahrungen in Liebesdingen. Auf so einem Schiff mit eben diesen Piraten! Davongelaufen wäre sie, kilometerweit! Zumindest heruntergesprungen vom Boot und weggeschwommen, selbst wenn die Haie sie aufgefressen hätten. Aber man konnte ja so tun als ob. Was auch immer die Hochzeitsgäste von dem Gefasel glaubten oder nicht, es schien ihnen Spaß zu machen. Das zeigte jedenfalls ihr brüllendes Gelächter. Aber vielleicht war‘s ja wirklich nur der Holunderlikör?!

Und außerdem noch nicht das Ende vom Lied: Mutig geworden, jaulte die neugeborene Chansonette ihr komplettes Repertoire an Seemannsliedern á la Lale-Anderson ins Mikro und alle anderen jodelten mit. Ein klein wenig hatte sie sich wirklich wie ein Star gefühlt in jenem Moment.

Gut zwei Jahre später im November lernte das Sternchen einen Mann kennen, nur wenige Tage nach dem offiziellen Fall der Berliner Mauer. Dieser hatte nun so gar nichts von einem rauen Seefahrer an sich. Dennoch war er genau das, was sie unter einem richtigen Mann verstand. Auch wenn er keine Schiffe mochte, das Meer aber schon. Ach, Jo!

Beate und Hugo machten es vielleicht richtig. Bestimmt! Aber es tat weh, sie zu verlieren. München war nicht aus der Welt, man konnte sich besuchen. Diese Stadt war sicher eine Reise wert. Es gab Telefon, Internet, alles, und doch würde es nicht das gleiche sein.

Auch Jo war gegangen … damals!

Vor der Haustür schüttelte Conni heftig den Regenschirm aus. Dabei spritzten unzählige Wassertropfen nach allen Seiten. Aber darauf kam es nun auch nicht mehr an, pitschnass war pitschnass! Aus dem geöffneten Fenster des Nachbarhauses schaute Hannahs Gesicht zu ihr herunter.

„Conni, hallo! So ein Wetterchen heute, was?!“, rief sie mit ihrem dünnen Stimmchen. Um besser verstehen zu können, musste man zwangsläufig ein paar Schritte aus der schützenden Überdachung hervortreten. Erneut sprühte kalter Regen ins Gesicht.

„Guten Abend, Hannah! Ja, Sauwetter! Und ich hatte mir so sehr einen goldenen Oktober gewünscht.“

„Kommt noch, Kindchen, kommt! Hab eben den Wetterbericht gehört. Wird besser!“

„Na hoffentlich! Geht’s dir gut, Hannah?“

Sie winkte ab. „So wie’s halt ist. Groß besser kann’s nicht mehr werden, aber ich bin zufrieden!“

Hannah war schon fast 90, eine zierliche, gebeugte Dame mit grauen Löckchen. Sie ließ sich noch immer regelmäßig ihre Dauerwelle machen. Das war so drin von früher.

„Zu meiner Zeit war das modern“, erklärte sie oft. Manchmal jammerte sie ein bisschen, weil das, was sie heute auf’m Kopp trüge, längst kein Haar mehr sei, sondern nur noch lächerliches Flusengewirr.

„Ich komme grad von Beate, hab ihr geholfen im Büro. Die Kinder warten sicher schon. Endlich raus aus dem Schmuddelwetter!“

„Na, dann nichts wie rein mit dir ins Warme, sonst kriegst du noch eine Erkältung! Grüß mir deine beiden Schätzchen schön. Sie sollen sich mal wieder blicken lassen. Ich habe ein paar Fußballbildchen für Tims Sammelalbum.“

„Weißt du was, Hannah, vielleicht schaff ich’s die Woche nachmittags mal rüberzukommen. Bring auch Kuchen mit. Ein Besuch ist sowieso längst fällig.“

„Ach ja, das wär’ schön! Aber nur, wenn’s dir passt. Ich weiß doch, dass du noch ein bisschen was mehr zu tun hast, als einer alten Frau die Zeit zu vertreiben.“

„Rede keinen Unsinn, Hannah! Ich besuche dich doch gerne! Hab schon ein richtig schlechtes Gewissen, weil ich so lange nicht mehr da war.“

„Papperlapapp! Musst du nicht haben, Kindchen! Nun aber marsch ins Haus! Ich habe jetzt genug frische Luft geschnappt. Es kommt ein Krimi, den will ich sehen!“ Ein verschmitztes Lächeln noch und das Fenster klappte zu. Ein letztes Winken, ehe Hannah hinter den dicken Vorhängen aus grauen Vorzeiten verschwand.

Ach, diese liebe alte Dame, die so tapfer ihr Leben meisterte und sich niemals über irgendetwas wirklich beklagte! Wie oft war sie früher gekommen - mit einem Kuchen und mit Zeit, Rat und Hilfe! Heute war es an Conni, einiges wiedergutzumachen.

Im Haus wurde sie von molliger Wärme empfangen. Nele musste den Kamin angeheizt haben und schien jetzt vor dem Fernseher zu hocken. Noch während Conni über achtlos hingeworfene Schultaschen und Schuhe stolperte, erkannte sie Titanic bereits an der Filmmusik. Diese DVD, wohl zum hundertsten Mal!

Das Mädchen saß im Schneidersitz auf dem Sofa, ein feuchtes Handtuch wie einen Turban ums frisch gewaschene Haar geschlungen. „Hallo Nele!“

Im Vorübergehen sprang Conni sofort die fast leere Kiste neben dem Kamin ins Auge. Neues Brennholz besorgen, unbedingt!

„Mama! Da bist du ja endlich! Wo warst du denn so lange?“

„Bei Beate, das weißt du doch. Hat leider länger gedauert.“

Müde stellte die gestresste Mutter ihre Tasche ab und saugte mit ihren Blicken das Chaos ringsherum förmlich ein, was unsagbar an den Nerven kratzte. „Sag mal, wie sieht‘s hier bloß wieder aus?! Ihr macht mich noch wahnsinnig! Könnt ihr nicht einmal euer Geschirr und den Müll wegräumen?!“, brach es schärfer hervor als gewollt. Aber es verpuffte sofort. Abgespanntheit gepaart mit Verdruss und Resignation, all das ließ sie einfach nur dastehen und einen tiefen Seufzer ausstoßen.

„Mama! Ich gucke Titanic!“

„DAS sehe ich!“

„Mama! Schaust du mit mir? Wir können doch später aufräumen!“

Conni hatte die leere Chipstüte, benutzte Becher und Teller schon beinahe in der Hand, doch dann ließ sie sich neben ihrer Tochter aufs Sofa fallen und legte die Beine hoch. Fühlte sich viel zu erschöpft vom Tag und zu frustriert von dem, was Beate eben noch erklärt hatte. Nein, jetzt würde sie alles stehen und liegen lassen. Streit und Endlosdiskussionen wollte sie auch nicht mehr haben. Einfach nichts mehr … für heute!

Auf der Mattscheibe lief die Szene, in der Rose im Licht der untergehenden Sonne am Bug stand, die Arme seitlich weit ausgestreckt. Jack dicht hinter ihr, um sie festzuhalten, und ihre Hände spielten dieses zärtliche Spiel der Verliebten miteinander. Nicht ahnend, dass es die letzte Nacht der Titanic sein würde.

Nele war hin und weg, in ihren großen Augen glitzerte es. Sie war völlig ergriffen von diesem Film. Egal, wie oft sie ihn schon gesehen hatte, es war immer wie das erste Mal. Solches brachten doch wirklich nur Menschen in diesem jungen Alter fertig und eigentlich war das so schön! Hier waren Illusionen einfach noch keine Illusionen.

„Schau mal, was Rose für ein sagenhaftes Kleid anhat!“

Conni nickte. „Ja, hat sie!“

„Und guck dir ihre Haare an! Sind die nicht himmlisch?! Die Farbe ist so toll! Fast so wie deine, Mama.“

Ein schwaches Lächeln. „Aber nur fast!“

„Ich möchte gern mal so eine Tönung kaufen, was meinst du, Mama? Würde mir das stehen?“

„Wir könnten es versuchen!“

Für Conni hatte Neles Haar das wunderschönste Brünett, was es überhaupt gab. Außerdem war es sehr lang, sehr dicht und schimmerte im Licht. Dazu ihre braunen Augen mit den langen gebogenen Wimpern. Sie sah so hübsch aus. Man konnte es ihr sagen, so oft man wollte. Glauben tat sie es aber trotzdem nicht. Noch nicht!

„Du hattest doch auch mal so lange Haare, Mama. Auf den Fotos von früher! Warum hast du sie schneiden lassen?“

Ja, warum?

Vielleicht, um irgendein Zeichen zu setzen?

Und wenn ja, welches?

Conni tat es einige Zeit später, nachdem Jo gegangen war.

„Ach!“ Nur wieder dieser schwere Seufzer und dann: „Das weiß ich nicht mehr, Nele. Es ist schon so viele Jahre her.“

Danach hatte sie nie mehr versucht, ihre Haare wieder wachsen zu lassen. Wollte es auch nicht. Denn seine Hände, die sich in so vielen leidenschaftlichen Momenten darin festgehalten hatten, würden dies nie wieder tun. Und andere solcher Hände gab es nicht, würde es in diesem Leben wohl kaum mehr geben.

Prompt waren ER und ES wieder da, Jo und diese brennende Sehnsucht nach dem Leben, das sie hatten. Es kam von jetzt auf gleich, ohneweiters, und es lähmte so sehr. Manchmal wurde es zu einem Wechselspiel der Gefühle, wenn im nächsten Moment diese Wut hinzuprallte. Darüber, dass sie nach wie vor nicht verstand, was damals wirklich passiert war und wie sinnlos es Conni doch immer wieder vorkam, darüber nachzudenken.

Das brachte sie augenblicklich in die Wirklichkeit zurück. „Zu Abend habt ihr ja schon gegessen, wie ich sehe! Und wo ist eigentlich Tim?“

„Ach so, ja klar! Das wollte ich dir eigentlich gleich sagen. Tim hatte Bauchweh und ist ins Bett gegangen.“

„Boah, Nele! Du hättest mich sofort anrufen müssen!“ Flugs war man keine Frau mit wunderlich-sinnfreien Gefühlswallungen mehr, sondern besorgte Mutter. Rannte, gleich drei Stufen auf einmal nehmend, nach oben. Da lag er in seinem Bett, der kleine Kerl, mit verstrubbelten blonden Haaren und hochroten Wangen. Auch seine Ohren leuchteten knallrot, ein sicheres Zeichen von Fieber. Er schlief fast, aber es war augenfällig, dass es ihm nicht gut ging.

„Tim! Mein armer kleiner Liebling!“ Zärtlich strich sie ihm das verschwitzte Haar aus der Stirn. „Was hast du? Wo tut es weh?“

Er öffnete seine fiebrig glänzenden Augen, schaute so hilflos, dass es einem ganz schrecklich wehtat in der Brust. Wie seltsam das doch immer war mit diesen Muttergefühlen, dass man um so vieles mehr die Wehwehchen oder Traurigkeiten seiner Kinder verspürte.

„Mama“, hauchte er, „mir ist sooo heiß und sooo komisch! Und du warst sooo lange weg!“

Conni legte ihre kühlen Hände auf seine glühenden Wangen. „Aber jetzt bin ich ja da und helfe dir, mein Schatz. Das kommt alles in Ordnung, wirst sehen! Wir schauen, wie es dir morgen geht. Du brauchst auch nicht zur Schule. Ich bleibe zuhause, und wenn wir müssen, dann gehen wir zum Doktor. Der hat eine Medizin und bald ist alles wieder gut!“

Der Kleine schloss seine Augen, aber bevor er wieder in seinen Dämmerschlaf zurückfiel, lächelte er noch ein klein wenig, murmelte: „Und ich krieg einen Lolli von ihm!“

„Ja! Du kriegst deinen Lolli! Ganz bestimmt!“

Tims Nachttisch, ihr Blick fiel darauf. Hinter der gelb-schwarzen Lampe mit dem Emblem seines Lieblingsfußballvereins lag versteckt die kleine Holzfigur. Conni nahm sie, betrachtete sie wehmütig … ein bisschen abgegriffen schon nach all den Jahren. Tim hielt sie oft in seinen Händen beim Einschlafen. Eigentlich das einzig Greifbare, was der Junge von seinem Vater hatte. Diesen von Jo geschnitzten kleinen Holzengel mit dem Lächeln im Gesicht und den ausgebreiteten Flügeln. Ein Geschenk, das er ihr einmal gemacht hatte. In einer Zeit, als sie noch ein Wintermärchen lebten.

Bevor es erneut Tränen in die Augen treiben und dieses Gefühl zu kummervoll werden ließ, stand sie entschlossen auf, legte die Figur zurück und ging, um das Fieberthermometer zu holen. Sie wusste zwar noch nicht genau, wie das am nächsten Tag alles funzen sollte. Vielleicht konnte sie am Nachmittag noch ein paar Stunden zur Arbeit fahren, wenn Nele von der Schule zurück war. Hannah durfte mit so was nicht mehr behelligt werden, dafür war sie zu alt und zu schwach. Undenkbar, sie in ihrem Zustand jetzt mit irgendeinem Infekt anzustecken. Obwohl sie sofort kommen würde, bäte man sie darum. Wie sie es immer getan hatte.

Aber irgendwie würde es auch diesmal klappen, irgendwie klappte es ja immer.

Es war eine unruhige Nacht, in der sie Tim nach einer Weile zu sich ins Bett holte. Sein magerer Körper wie eine übergroße heiße Wärmflasche, während er sich herumwälzte. So bekam er doch noch ein fiebersenkendes Mittel verpasst. Danach fand er endlich zur Ruh, so dass beide noch ein paar Stunden Schlaf fanden. Dürftige Erholung, die jedoch halbwegs ausreichte, um am nächsten Morgen zeitig aus den Federn zu springen, mit Nele zu frühstücken und Ratschläge zu erteilen, ob man denn nun die schwarze oder die blaue Jeans anziehen sollte. Immer die Zeit im Blick und hie und da zur Eile antreibend.

Tim schlief so lange, dass Conni Gelegenheit fand sauberzumachen. Zumindest in den Zimmern, wo sich am meisten aufgehalten wurde. Auch ihr Chef war am Telefon nicht allzu knurrig gewesen. Sie solle zuhause bleiben, solange es halt nötig sei. Für heute würde man das sicherlich in Anspruch nehmen.

Während sie herumwirbelte, stellte sich ihr, wie schon so oft die Frage, wie das hier alles weitergehen sollte. Das Haus war viel zu groß für die kleine Familie, zu verwinkelt, zu viele Treppen und ungenutzte Fläche. Die Räume völlig ungünstig zueinander gelegen, im Winter zu kalt, im Sommer zu heiß.

Jo hatte noch viele Pläne gehabt, und dabei hatte er ja schon so viel getan. Immer wieder und ganz besonders in den ersten Jahren. Damals, als er sich beruflich umorientierte, weil er herausgefunden hatte, wie wundervoll er mit Holz umgehen konnte. So viel Fantasie, so viele Ideen, so viel Umsetzungskraft, was er alles in sich trug. Mitbekommen von den Genen seines Großvaters, und Spaß machte es ihm obendrein.

Sein Schwiegervater fand eine solche Freude daran, mit ihm zu planen und herumzuwerkeln. Gerade so, wie für den Moment das Geld gereicht hatte. Nach und nach, Stück für Stück, immer ein bisschen mehr.

Wie oft hatte Jo sie gehalten und ihr ins Haar geflüstert: „Am liebsten würde ich dir ein richtig großes Schloss bauen mit ganz vielen Zimmern darin! Haufenweise Glanz und Gloria, nur für dich. Und weißt du auch warum?“

„Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts!“

„Weil du meine Königin bist und ich dich über alles liebe!“

„Kann gar nicht sein! Ich lieb dich ja viel mehr“, gluckste sie und kuschelte sich an seine Brust. „Aber dein blödes Schloss, das will ich gar nicht haben! Was soll ich denn damit? In all den Zimmern, da würden wir uns doch nur verlaufen, uns am Ende gar nicht wiederfinden.“

„Dich würde ich immer aufspüren.“

„Für mich ist das, was wir haben, mehr als genug, viel schöner als der tollste Palast auf der ganzen Welt!“

Seine Hände wühlten sich in die kastanienbraunen Strähnen. „Na, darf ich dir denn wenigstens diese Welt zu Füssen legen?“

„Will ich auch nicht! Die ist mir viel zu groß und zu gefährlich!“ Manchmal alberten sie herum wie kleine Kinder. Aber schon war es da, das Flackern in den Blicken, das die Timbres in ihren Stimmen immer lockender werden ließ. Dann küsste er sie, Hände begannen, zärtlich zu suchen und spätestens jetzt kam sie mit Macht, diese ihre Magie.

„Dann komm, lass es uns miteinander treiben! Oder willst du das etwa auch nicht?“

Kaum mehr aufzuhalten! Seine Nähe, seine Stimme, seine Berührungen, aufwühlend, erregend. Ein Feuer ohne Gnade, das sich in Sekundenschnelle ausbreitete und unbedingt gelöscht werden musste. Egal wo, egal wann, egal wie!

„Oh! Doooch, das ist schon was anderes. Das will ich! Mit deinen ganzen Schlössern kannst du hingehen, wo der Pfeffer wächst! Aber das hier …“ Und ihre Hände fuhren sanft unter seinen Hosenbund.

Amor, die Urgewalt der Gefühle … gleichgültig, welche Worte man finden wollte, um es zu beschreiben, dieses ganz besondere Spiel, das einfach so mitriss und berauschte. Immer wieder wunderbar, immer wieder neu, immer wieder leidenschaftlich. So oft sie es auch spielten, es hörte einfach nicht auf.

Und nicht nur das. Irgendwann hatte sie versucht, es Beate zu erklären: „Da ist ja noch so viel mehr zwischen uns. Es kommt mir wie ein Wunder vor! Wir können über alles reden, sogar wenn wir ganz unterschiedliche Meinungen haben. Wir finden jedes Mal einen gemeinsamen Nenner. Irgendwie! Und stell dir vor, sogar wenn es eigentlich nichts zu sagen gibt, selbst dann verstehen wir uns. Ohne Worte! Ich hätte nie gedacht, dass es so etwas wirklich gibt.“

Wenn es sich nicht so wahrhaft echt und wunderschön angefühlt hätte, man könnte es für den kitschigsten Kinofilm aller Zeiten halten.

Beate hatte genickt. „Das ist Liebe!“

Was sie verband, Conni nannte es unfassbares Glück. Später dachte sie oft, dass es vielleicht zu viel gewesen war. Mehr, als man vom Leben erwarten konnte. Und dass es deshalb nicht für immer halten durfte.

Neles Zimmer wollte sie eigentlich auch noch durchwischen, aber sie schloss die Tür so schnell, wie sie diese geöffnet hatte. Klamotten auf dem Boden, Taschen und Schuhe überall verstreut. Zentimeterdicker Staub auf den Regalen, benutzte Tassen. Hefte und Bücher in allen Ecken, nur nicht auf dem Schreibtisch, wo sie hingehörten. „Boah!“ Da war kein Durchkommen. Das musste sie selber machen!

Lange bevor sie geboren wurde, hatte ein hübsches und geräumiges Kinderzimmer auf sie gewartet. Mit Liebe errichtet vom Vater und ausgeschmückt von der Mutter. Wiewohl es gegenwärtig nicht ganz so schmuck aussah …

Eigentlich hatte Conni jetzt genug, frisch aufgebrühter Kaffee wäre himmlisch! Während die Maschine blubberte, suchte sie schon die Zutaten für den Kuchen zusammen, den sie noch backen wollte.

Diese Küche und die Begeisterung ihrer Mutter, als Vater und Jo sie bauten. Damals. Ein Weihnachtsgeschenk vor vielen Jahren! Welche Freude sie darüber empfand, wie ein übermütiges Mädchen war sie herumgehüpft. Tagelang hin und her sortiert, bis alles am rechten Platz stand. Ferner ihre Kräutertöpfe auf der Fensterbank, Schnittlauch, Petersilie, Liebstöckel, Thymian, Salbei, Zitronenmelisse, Oregano und alles Mögliche mehr. Womit sie kochte und heilte und sich stundenlang beschäftigen konnte.

Jetzt war es Connis Reich mitsamt dem übrig gebliebenen Grünzeug. Das ganze Haus war ihrs, vollgestopft mit Erinnerungen. Doch genau das war es ja, was einem so viel bedeutete. Und so weh tun konnte …

Dieser Kamin, den Jo gebaut hatte, in jenen fernen Tagen. Kaum, dass ihr gemeinsames Wintermärchen begonnen hatte. Er strahlte eine so wohlige Wärme aus, viel behaglicher als die Heizungsanlage. Dennoch war es oft bitter, das Holz zu schichten und die Flammen zu entzünden, wie gerade jetzt.

Dieses Haus und Jo und die Liebe, der kleine Palast ihres Lebens. Das Schloss mit seinem Türmchen, aus dessen Fenster sie Seite an Seite hinauf in den blauen Himmel geblickt hatten. Was war davon am Ende geblieben?

Nur ein Haus, denn die Liebe hatte sich verwandelt … ins Nichts. So wie es geschehen konnte in einem Märchen. Aber das Leben war keins, da gab es keine Glückseligkeit auf immer und ewig. Nur Illusionen. Und das Haus mit all seinen Erinnerungen.

Wo war der blaue Himmel? Wo die Sterne der Nacht? Einzig der Mond war noch da mit seinem geheimnisvollen Lächeln und dem unaufhörlichen Schweigen.

„Spinn nicht rum!“, rügte Conni sich selbst. Tim schlief noch immer, doch der Kaffee war fertig. Mit ihrer Lieblingstasse setzte sie sich an den Tisch. Hatte ja längst gelernt, dagegen anzugehen, es am Kragen zu packen und in Schubladen zu stopfen. Wo es blieb, zumindest so lange, bis es wieder hinauswollte.

Aber das andere, so vieles … es blieb immer da. Man konnte die Augen verschließen wie man wollte. Es drängte sich auf. Das, was unvollendet geblieben war, unzeitgemäß oder einfach nur kaputt gegangen. Oft stand man da, sich die Haare raufend und fragend, wie das alles zu schaffen sein sollte?! Und manchmal verfluchte sie ihr Schloss. Auch das konnte vorkommen in einem Märchen.

Zugige Fenster, die im Winter quälten.

Schadhafter Fußbodenbelag hier und da, mit Teppichen überdeckt.

Stellenweise Risse in den Wänden, mit Bildern abgehängt.

Abgestoßene Fliesenkanten im Badezimmer und die Muster der Kacheln, so was von aus der Mode gekommen!

Vor allem jedoch die Heizungsanlage! Die würde mit ein bisschen Glück höchstens noch zwei, drei Jahre durchhalten.

„Und dann?“, fragte sie den Kaffee, der sie mit seinem schwarzen Gesicht musterte. „Das kann ich mir nie und nimmer leisten! Wenn sie die Mücke macht, stehen wir dumm da!“

Gut, es gab den Kamin. Aber der schaffte es bei weitem nicht, das Haus rundum warm zu halten. Was Conni verdiente, reichte für das alltägliche Leben, kleinere Reparaturen und sogar für manches Extra hin und wieder, meistens für die Kinder. Doch große Sprünge erlaubte es nicht.

Und der geerbte Notgroschen, beziehungsweise das, was davon noch übrig war, sollte zurückbleiben. Ebenfalls für die Kinder, ihre Berufsausbildungen, Führerschein und alles, was da noch kommen würde. Zumindest für einen Teil davon würde es reichen.

Vielleicht sollte man hingehen und es verkaufen, dieses Haus?! Wie Beate und Hugo und so manch andere. Einfach weggehen. Dorthin, wo es besser war, mehr Möglichkeiten gab, vor allem für die Kinder. Irgendwo eine bezahlbare Wohnung, irgendwo ein neues Leben! Warum nicht? Warum zögern?

„Wäre es anderswo wirklich besser?“, stellte sie dem Kaffee die nächste Frage und fügte ein paar Tropfen Milch hinzu.

„Ich weiß nicht“, schien er zu antworten. „Hier bist du geboren und aufgewachsen, hast deine ganzen Jahre gelebt mit deinen Eltern und Großeltern und all den anderen, die du schon so lange kennst. Und Jo, vergiss Jo nicht!“

Nein, das tat sie gewiss nicht. Dafür sorgte er schon, immer wieder.

„Dies ist das Schloss aus eurem Wintermärchen“, wies der Milchkaffee auf etwas hin, das nur allzu gegenwärtig war, „und das Zuhause deiner Kinder!“

Ein Zuhause, ja, das war es. Dieser Ort, umgeben von weichen, hügeligen Wiesen und Feldern, Flüssen und Bächen, kleineren Erhebungen und Wäldern. Pure Natur ringsherum! So viel Leben, wohin man auch schaute! Anderes Leben als in den großen Städten, das wohl, aber trotzdem! Genau das war es, was sie seit eh und je kannte und wollte, für ihre Kinder und für sich selbst. Jeder Stein, über den man stolperte und die Menschen, denen man hundertmal und mehr schon begegnet war. Alles und jeden und die Geschichten, die sich hinter alldem verbargen.

Außerdem war es sowieso beinahe utopisch. Abgesehen davon, ob Conni wirklich verkaufen wollte, würde es doch kaum möglich sein. Weil man nur schwer, sehr schwer oder fast sogar unmöglich jemanden fände, der hier in dieser Zeit und dieser Gegend ein Haus – dieses Haus - würde kaufen wollen. Selbst wenn man so jemanden fände, wäre das, was man wahrscheinlich dafür bekäme, so erschreckend wenig, dass sich die Eltern im Grabe umdrehten. Obwohl … „Nein!“, widersprach der Kaffee energisch. „Das würden sie nicht tun!“

Sie würden ja wollen, dass ihre Tochter das Richtige tat. Also das, was sie als solches befand, und dieses zu beurteilen, das trauten sie ihr schon zu. Der Milchkaffee auch?

„Also liegt es nur an dir!“ Er gab einfach keine Ruhe. Sie sollte die Tasse schleunigst austrinken. Denn wie sollte sie denn noch erklären, dass man ein Zuhause nicht so einfach aufgeben und verschenken konnte. Nicht so einfach!

„Meine Großeltern und Eltern haben es aufgebaut und mir hinterlassen!“, brauste sie auf. „Und eines Tages soll es für Nele und Tim sein!“

„Haha! Werden sie es denn überhaupt wollen, deine Kinder?“ Wie höhnisch das klang! Blöder Kaffee! Jetzt reichte es aber! Die nachdenkliche Frau sprang auf und goss den Rest in das Spülbecken. Es war eh Zeit, nach Tim zu sehen. „Nicht einfach so!“, rief sie dem letzten Schluck hinterher, ehe er im Loch des Abflusses auf Nimmerwiedersehen vergluckerte.

Beate und Hugo taten es auch nicht so ohne weiteres. Aber was half’s denn? Immerhin wurde ihnen die Entscheidung leichter gemacht durch ihre Kinder in München.

Doch was sollte Conni tun, wenn sie irgendwann einmal vor der Situation stünde, kaum noch eine Wahl zu haben?! Die Zeit, weiter darüber nachzugrübeln, war um. Tims Stimme holte sie zurück.

„Du hast aber lange geschlafen! Geht es dir besser, Timmy?“

„Ich weiß nicht, kann sein.“

„Lass mal fühlen! Ein bisschen warm bist du ja noch. Möchtest du was essen?“

„Ich weiß nicht.“

„Na, was weißt du denn überhaupt? Dann lass uns Fieber messen!“

Der Versuch, Tims Schlafanzugshose herunterzuziehen, schlug fehl, weil der kleine Kerl sich unter der Bettdecke versteckte. Conni wusste, es war ihm peinlich und sie konnte sich ein stilles Lachen nicht verkneifen. Schon jetzt, mit gerade mal 9 Jahren, entwickelte ihr Sohn immer öfter ein Gefühl für Scham. Auch wenn er in die Badewanne stieg, durfte erst hingeschaut werden, sobald er völlig im Schaum untergetaucht war.

„Muss das denn sein, Mama?“

„Ja Tim, muss sein!“, Conni zerrte weiter am Pyjama. „Ich will doch wissen, ob du nochmal Medizin brauchst!“

„Brauch ich nicht, Mama. Es geht mir schon viel besser!“

„Eben hast du noch gesagt, du weißt es nicht!“, bemerkte sie streng. „Komm, stell dich nicht so an. Es ist wichtig!“

Er knurrte vor Unbehagen. „Aber nur, wenn du mir noch ein bisschen von früher erzählst!“

„Also gut, mein Kleiner! Was willst du hören? Von der Hühnermörderin?“

Tim hörte so gerne Geschichten aus der Kindheit seiner Mutter, vor allem die, in denen seine Urgroßmutter eine Rolle spielte. Als Conni anfing zu erzählen, achtete er gar nicht mehr auf das Fiebermessen an dieser oberpeinlichen Körperstelle.

„Sie war die beste Oma aller Zeiten und viele, die sie noch kannten, sagen immer wieder, dass ich ihr sehr ähneln würde. Von ihr habe ich meine Haarfarbe. Als ich ein Kind war so wie du, sang sie immer mit mir und erzählte Geschichten.“

„Genau wie du!“, freute sich der kleine kranke Mann.

„Sie war immer so fröhlich und abends bekam ich oft ein Butterbrot mit Zucker drauf. Das mochte ich gerne.“

Tim schüttelte sich. Er aß lieber Wurst aufs Brot.

„Sie war eine Bäuerin mit Leib und Seele, mit Schweinen und Kühen, Feldern und Kartoffelackern und all so was. Und wir hatten ein Plumpsklo, in dem lauter eklige Spinnen herumlungerten. Aber sie zauberte mir die schönsten Weihnachtsfeste, und auch Ostern war wundervoll mit ihr.“

„Erzähl mir von den Hühnern!“, verlangte Tim.

„Na ja, manchmal dachte ich, die armen Viecher damals hatten ihr Leben eigentlich nur, um Eier zu legen und im Suppentopf zu landen. Aber sie hatten ein schönes Häuschen. Ich durfte die Eier suchen, vor allem an Ostern. Die haben wir dann bunt angemalt, so wie wir das auch jedes Mal tun. Es gab sogar einen Auslauf, aus dem manchmal ein Huhn ausbüxte, um auf der Straße spazieren zu gehen. Nicht, dass ihm da viel passiert wäre, hier fuhren damals noch nicht so viele Autos. Trotzdem musste es immer wieder eingefangen werden, und das war ein Riesenspaß!“

Conni hatte es aber nie lustig gefunden, wenn die Oma ein Huhn in der einen und das Beil in der anderen Hand hielt. Weil sie ihm damit den Kopf abschlagen wollte. Selbst wenn es anderntags eine leckere Suppe geben würde. Aber das gehörte definitiv nicht zu den rosaroten Träumen kleiner Mädchen. Mit entsetzten Kinderaugen konnte man hin und wieder sogar beobachten, wie so ein Huhn ohne Kopf noch eine Weile auf dem Hof herumlief, ehe es tot umfiel.

„Das Huhn war doch schon alt und krank, mein Kind!“, hatte die Oma erklärt, während sie die Federn abzupfte. Damals sah man das irgendwann ein, Kinder waren meistens leicht zu überzeugen und abzulenken. Später allerdings fragte man sich schon, warum aus einem kranken Huhn eine Suppe gekocht wurde. Vielleicht mochte Conni sie deshalb heute nicht mehr gerne essen.

Das kopflose Federviech verschwieg sie ihrem Sohn, auch das Hackebeil wurde mit keinem Wort erwähnt. Seine Schwester und er liebten Hühnersuppe nämlich sehr und erst recht, wenn sie krank waren. Also war klar, was es an diesem Tag geben würde.

Völlig fieberfrei war Tim zwar noch nicht, doch weder Husten noch Schnupfen oder sonst irgendwas kam zum Vorschein. Was es Conni sofort wieder leichter ums Herz werden ließ. Die einzige Sorge, die er hatte, war die, ob er am kommenden Samstag auch ja das Fußballturnier würde mitmachen können, wo er sich schon so drauf freute. Also galt es nur noch zwei Vormittage zu überbrücken, in denen könnte er, falls nötig, zu Beate gehen und dann war bereits Wochenende.

Die Suppe kochte sich beinahe von alleine. Conni war erleichtert, wieder einmal zu erfahren, wie einfach sich die Dinge regeln konnten. Selbst wenn man zuerst nur einen riesigen, unüberwindbaren Berg vor sich gesehen hatte. So war es ihr schon oft im Leben ergangen und deshalb schob sie manches Mal die Dinge wie achtlos von sich weg. Kommt Zeit, kommt Rat! Was allerdings nicht immer und grundsätzlich klappte. Manchmal aber schon, wenn die Zeit helfend eingriff. Die Zeit? Oder irgendetwas anderes? Ein gütiges Schicksal, das irgendwo zwischen Himmel und Erde über seine Schäflein wachte?

Der Tag ging dahin, schenkte Gelegenheit, sich endlich wieder einmal in Ruhe um alles kümmern zu können. Nele kam völlig aufgeregt nach Hause, weil sie am Wochenende zu einer Party eingeladen wäre, wo sie sooo gerne hinwolle und ob sie denn dürfe und wenn ja, wie lange sie ausbleiben könne.

Sie sprang in ihrem Zimmer hin und her. Überlegte bereits, was sie anziehen wollte und chattete eifrig mit ihren Freundinnen. Derart euphorisch in ihrer Aufregung, da brachte eine putzwütige Mutter es einfach nicht fertig, über den Saustall im Zimmer der Tochter zu murren. Sie fragte auch nicht danach, ob die Aufgaben für die Schule erledigt waren. Nein, nicht heute!

Trug man nicht selbst hin und wieder ähnliche Emotionen ob solcher Erinnerungen in sich, und war es wirklich so unglaublich wichtig, dass immer alles kerzengerade stand?!

Später am Tag fand Conni sogar noch Zeit für sich selbst. Eine halbe Stunde in der Badewanne aufwärmen und die duftend schäumende Geborgenheit genießen. Im flauschigen Bademantel eingekuschelt, ließ sie ihren Computer hochfahren. Vor dem Schlafengehen noch ein wenig im sozialen Netzwerk umherscrollen, wer von ihren Bekannten vielleicht ebenfalls online war. Sich einfach nur noch ein paar News reinziehen, Bilder beäugen, Sprüche zu Gemüte führen.

Tim schlief bereits und Nele lag lesend im Bett. Aber ob sie auch nur ein einziges Wort wirklich aufnahm von dem, was sie vor Augen hatte?

Das erste, was auf dem flimmernden Bildschirm angezeigt wurde, war die kleine rot markierte Freundschaftsanfrage, die jemand geschickt hatte. Neugierig klickte Conni sogleich darauf, um zu sehen, wer mit ihr befreundet sein wollte. Wer mochte sie gesucht und nun gefunden haben? Oder einfach nur so per Zufall wiederentdeckt? Und sie war mehr als überrascht, Jens Kollmanns Namen zu lesen.

Jens, ein guter Kumpel und Kollege aus früheren Zeiten, mit dem sie zusammen ihre Ausbildung zur Steuerfachangestellten absolviert hatte und später noch zur Steuerfachwirtin. Wie oft hatte man sich gegenseitig die trostlosen, ellenlangen Gesetzestexte abgefragt, manchmal fast bis zum Erbrechen! Und wenn man dann wirklich nicht mehr weitermachen konnten, wurde sich in irgendeiner Kneipe erholt. Was meistens sehr fröhlich und ausgelassen endete, mit Jens konnte man prima Pferde stehlen.

Zeitweise hatten sie sogar im gleichen Bürozimmer gesessen, und an manchen Tagen brachte er Conni nach Hause, bis sie irgendwann ihr eigenes Auto bekam. Sie hatte ihn schon immer sehr gern gemocht, den lebhaften Kerl mit seinem sonnigen Gemüt!

Irgendwann war auch er von hier fortgegangen, bald 10 Jahre musste das her sein. So genau wusste sie es nicht mehr. Mit der Zeit war der Kontakt eingeschlafen, fast in Vergessenheit geraten. Umso mehr freute sie sich in diesem Augenblick, seinen Namen zu lesen und bestätigte sofort die Anfrage.

Als hätte er nur darauf gewartet, kam prompt eine Nachricht von ihm:

Conni, wie schön, dass du mich erkannt hast!

Aber klar doch, Jens! Toll, dass du dich meldest. Wir haben schon so lange nichts voneinander gehört. Wie geht es dir? Wo bist du? Was machst du?

Sooo viele Fragen! Welche zuerst? Und wie geht es dir?

Haha, na dann, der Reihe nach! Mir geht‘s gut!

Mir auch! Schaff immer noch in Rüdesheim. Das weißt du sicherlich. Vor drei Jahren bin ich als Partner in eine Sozietät eingestiegen. Da staunste, was? Ich bin jetzt sogar ein Chef. Und du? Arbeitest du noch bei Höppner & Schultz?

Wow, toll! Gratuliere! Jens, der Chef! Entschuldige bitte, aber wie geht das denn? Ich kann mir das gar nicht richtig vorstellen. Da müsstest du doch eine gewisse Autorität ausstrahlen. Hast du das inzwischen etwa gelernt? Wenn ich dran denke, wie du manchmal so drauf warst! Haha! Und ja, ich bin noch in unserem alten Büro, aber nur noch halbtags.

Na ja, ich denke schon … das heißt, ich hoffe, dass ich wie ein Vorgesetzter wirke. Zumindest hören meine Mitarbeiter manchmal auf mich. Und um ehrlich zu sein, ich glaube, ich bin wohl nicht mehr ganz so wie früher. Wie läuft es denn bei euch? Sind noch alle da von „der alten Garde“?

Oh! Ich hoffe aber, du hast dich nicht allzu sehr verändert?! Nein, wir sind jetzt nur noch 8 Leute und natürlich Höppner Junior und der Schultz. Der alte Höppner ist letztes Jahr gestorben. Das war sehr schlimm. Ich habe ihn so gemocht. Er war immer fair gewesen, und nett, wie der Schultz ja auch. Höppners Sohn ist manchmal ein bisschen … na ja, anders. Weißt du ja wohl noch. Aber gut, im Grunde ist er okay. Wenn du deine Arbeit ordentlich machst, kommst du klar. So ist es überall.

Exakt! Wen gibt’s denn sonst noch, den ich kennen könnte?

Lass kurz überlegen! Die Sabine, halbtags, so wie ich. Sie hat inzwischen vier Kinder! Und den kranken Schwiegervater mit dabei. Ich weiß gar nicht, wie sie das alles schafft. Also, die beiden älteren Söhne sind ja fast schon aus dem Haus. Sabine und ich sitzen jetzt zusammen im Büro. Dann gibt es noch die Monika, sie arbeitet Vollzeit. Hat ja nie Kinder bekommen. Ihr Mann und sie machen immer wieder schöne Reisen. Tja, und der Hans, der ist auch noch da. Der sitzt oben, hat das Büro neben dem Schultz. Hat seinen Steuerberater gemacht. Manchmal lässt er deswegen ziemlich einen raushängen. Aber vielleicht ist es auch wegen seiner Scheidung. Seine Frau wollte sich selbstverwirklichen und hat ihn verlassen. Ist nach Indien gegangen! Stell dir vor! Dort kommt ihr das Leben spannender vor als an Hansens Seite. Er war wohl einmal ZU pünktlich gewesen. Hihi!

Der arme Hans!

Armer Hans?! Ja, ihr Männer haltet immer zusammen. Klar.

Ihr Frauen doch auch, oder? Aber ich weiß schon, er war manchmal ein bisschen eigenartig.

War? Ein bisschen? Eigenartig?

Nun mach ihn mal nicht gar zu schlecht.

Okay! Sorry, Jens! Ein bisschen netter ist er ja mittlerweile geworden. Also manchmal! Das mit seiner Frau hat ihn arg mitgenommen.

Da ist ja wirklich nicht mehr viel los im alten Büro. Wenn ich bedenke, wie viele Leute wir früher gewesen sind.

Ja, alle anderen sind nicht mehr da, die meisten weggezogen. Und die Neuen sind in der Regel Auszubildende, um die wir uns kümmern müssen. Wenn sie fertig sind, dann stehen sie da, müssen gucken, wo sie unterkommen und zack, ist der nächste Lehrling da. Echt nervig, aber der Höppner sieht das knallhart.

Na ja, immerhin sorgt er für ein paar Ausbildungsplätze, wenn man‘s so nimmt. Ach, wir waren schon eine Supertruppe früher. War zwar immer viel Arbeit, aber wir hatten doch auch jede Menge Spaß! Unsere „Einmal-im-Monat-Essen“, weißt du noch?

Stimmt! Das war immer toll. Ach übrigens, Maritas Restaurant gibt es schon länger nicht mehr. Sie war damals nach Paris gegangen zu ihrer Schwester. Wir hatten noch eine Weile Kontakt, wollt sie sogar mal besuchen. Aber es hat sich irgendwie nicht ergeben. Vor ein paar Jahren ist sie gestorben. Jetzt ist da eine Dönerbude.

Ja, das habe ich gehört. Schade! Bei ihr gab’s die besten Steaks aller Zeiten.

Sofort bildete sich eine wehmütige Erinnerung: In jener längst vergangenen Zeit, kurz nachdem die Mauer gefallen war, dieser kalte Winterabend … an einem Tisch mit schneeweißer Decke saßen zwei Menschen und blickten sich tief in die Augen. Ein Märchen fing an …

Wie läuft‘s denn so mit der Arbeit und den Mandanten? Habt ihr noch richtig was zu tun?, fragte Jens weiter.

Schon, aber irgendwie anders als früher. Alles weniger geworden, nur mehr Bürokratie. Lauter solchen Verwaltungskram! Da steht der Höppner scheinbar drauf.

Die größeren Unternehmen sind wohl alle weggegangen, seitdem es keine Zonenrandförderung mehr gibt. Kronberg z. B., der Verlag. Wir hatten damals zwei Leute nur alleine dafür. Und die Medikamentenfabrik, die sitzt jetzt in der Nähe von Hamburg. Habt ihr überhaupt noch etwas Größeres?

Nur noch die Spedition. Die hat sich gehalten. Alles andere sind eher kleinere Sachen und ein ständiger Wechsel. Heute macht ein Laden auf, morgen der nächste zu. Das Bild verändert sich laufend. Ständig entdeckst du neue Gebäudeleichen mit den riesigen Schildern davor „zu verkaufen“ oder „zu vermieten“. Na ja, was will man machen?!

Hhm tja …

Ach Jens, lassen wir das doch! Was machst du sonst so? Bist du verheiratet? Hast du Kinder?

Nein, ich lebe allein. Hatte zwar die eine oder andere Beziehung, aber es hat wohl nicht sollen sein. Okay, was soll´s! Ich komm klar. Und bei dir?

Versteh ich nicht!? So einer wie du!? Sind die Frauen dumm und blind da in Rüdesheim? Bei mir? Ich habe meine Kinder, meine Arbeit und wir wohnen noch immer im selben Haus. Keine großen Veränderungen!

Keine neue Liebe in deinem Leben?

Nein.

Na ja, dann sind die Männer in der alten Heimat aber genauso dumm und blind!

Haha, mag sein. Aber Jens, ich habe nie wieder jemanden gesucht. Nein, ich habe sogar nie wirklich darüber nachgedacht …

Man muss nicht immer suchen gehen, manchmal wird man auch gefunden …

Mag sein.

Ich versteh dich ja, Conni. War eine schlimme Sache damals …

War es! Und ist es noch immer. Ich werde wahrscheinlich niemals begreifen, warum das passiert ist. So plötzlich, aus heiterem Himmel, ohne jegliche Vorwarnung, ohne eine Ahnung oder ein Gefühl, dass so etwas überhaupt passieren könnte. Vielleicht wäre es einfacher damit abzuschließen, wenn ich verstünde, warum. Aber so? Na ja, es tut weh, aber das Leben geht halt weiter. Ich habe meine Kinder, für sie muss ich da sein!

Gut, dass sie dich ablenken!

Tun sie, das kannst du glauben!

Wie alt sind sie jetzt?

Nele ist im September 16 geworden und Tim vor kurzem 9.

Mensch, die Zeit vergeht! Kaum zu glauben!

Ja! Ich mag gar nicht daran denken, was ich nächstes Jahr für einen Geburtstag feiere!

Haha, ich weiß, welchen du feierst! Aber Conni, das ist doch nur eine Zahl! Gewissermaßen! Es hat doch eigentlich gar nichts mit dem Menschen selber zu tun. Wie sagt man so schön? Der Mensch ist so alt, wie er sich fühlt. Und wenn ich mir dein Profilbild anschaue …. Du hast dich doch kaum verändert!

Uups! War das etwa ein Kompliment?

Ja, war es!

Na ja, okay. Danke! Freut mich natürlich, wenn du sowas sagst. Aber zieh besser deine Brille auf, bevor du dir nächstes Mal irgendwelche Bilder anschaust!

Haha! Conni! Ich könnte dich bald sogar „in echt“ anschauen. Nicht nur auf deinem Profilbild. Dann kann ich´s dir genau sagen, ob die Jahre dir was angetan haben oder nicht. Und du würdest es bei mir auch sehen.

Wie meinst du das?

Ich komme am Wochenende nach Hause. Komisch, ich sage immer noch „nach Hause“! Also gut, ich besuche meine Mutter. Sie hat Geburtstag. Keine Ahnung, ob du weißt, dass sie jetzt im „Marienstift“ lebt. Sie konnte nicht mehr alleine bleiben und hierher nach Rüdesheim, das wäre nicht gegangen. Jetzt lebt sie halt in dem Seniorenheim. Aber sie fühlt sich ganz wohl da, so habe ich jedenfalls den Eindruck. Man kümmert sich prima! Sie ist schon ziemlich durcheinander. In ihrer eigenen Welt, da kommt man nicht mehr so wirklich ran an sie, wenn du verstehst …

Oh … Nein, das wusste ich noch nicht. Tut mir leid. Vom Marienstift habe ich aber eigentlich nur Gutes gehört. Deine Mutter wird sich dort wohlfühlen. Du kommst also? Mensch, das wäre ja super, wenn wir uns mal wiedersehen könnten nach all den Jahren. Ich frage mich im Moment ernsthaft, warum wir uns überhaupt aus den Augen verloren haben? Du bist doch bestimmt öfter schon mal hier gewesen?

Du weißt doch, wie das ist. Man steckt in seinem Alltag fest, die Zeit rennt nur so dahin und ... Aber irgendwie, gerade jetzt, seitdem ich plane, wieder mal nach Hause zu fahren, bist du mir ständig in den Kopf gekommen. Deshalb habe ich mich hier nach dir umgeschaut. Wobei, ich hätte auch einfach anrufen können …

Ja, hättest du. Aber ich weiß, was du meinst… mit dem Alltag und so. Na ja, ich freu mich jedenfalls, dass du kommst. Meine Telefonnummer ist immer noch dieselbe.

Okay Conni, ich melde mich, wenn ich da bin. Auf jeden Fall! Ich freu mich!

Ich mich auch! Da gehen wir dann schön essen und quatschen von alten Zeiten!

Aber hallo?! Das ist gebongt!

Also dann, bis zum Wochenende! Jetzt muss ich ins Bett, bin total müde. Tim ist ein bisschen krank und letzte Nacht kam ich nicht wirklich viel zum Schlafen.

Dann wünsche ich dir eine ruhige Nacht. Schlaf gut und bis bald!

Bis bald, Jens!

So warf das kommende Wochenende seine freudigen Schatten voraus, Aufregung pur lag in der Luft.

Nele hatte nur noch Party im Kopf. Traf sich mit ihren Freundinnen, um wieder und wieder die Klamottenfrage und das Styling durchzukauen, räumte sogar freiwillig ihr Zimmer auf und brachte eine 2 in der Chemiearbeit mit nach Hause. Ihre Augen strahlten.

Tim fühlte sich rasch besser. Was auch immer er ausbrütete, es schien nicht von Belang. Seine trotzdem besorgte Mutter brachte es nicht übers Herz, zu entscheiden, dass er doch lieber auf das Fußballspielen verzichten sollte. Vielleicht haute es ihn dann erst richtig von den Socken. Doch selbst, wenn’s so sein sollte, sie konnte es ihm einfach nicht verbieten. Voller Elan bolzte er mit seinen Kumpels im Garten, unzählige Male schossen sie den Ball auf das kleine Fußballtor, was Conni milde lächelnd am Fenster beobachtete.

Schmunzelnd auch, weil sie einerseits selbst aufgeregt war wie verrückt und andererseits gar nicht so recht verstand, warum. Klar, sie würde Jens wiedersehen und das nach so vielen Jahren. Darauf konnte man wohl gespannt sein. Wie es ihm ergangen war und ob er sich sehr verändert hatte?

Sie überlegte sogar, noch zum Friseur zu gehen. Aber das hatte sie ohnehin vorgehabt. Zum Glück bekam sie noch kurzfristig einen Termin in Martinas kleinem Salon. Hinwärts begegnete ihr Hannah. Aufs Gehwägelchen gebeugt, schlurfte die alte Dame daher, ihr lächerliches Flusengewirr auf‘m Kopp hübsch frisiert. Da legte sie noch immer großen Wert drauf, stets adrett zu sein. Und so heftig ihre Beschwerden mitunter sein mochten, sie lächelte.

„Hannah! Du bist aber schick!“

„Ach Kindchen, schick ist was anderes. Das war einmal! Aber man will ja nicht undankbar sein. Immerhin kriegt die liebe Martina meine paar Flusen so hin, dass es für einige Zeit ganz annehmbar ist.“

„Komm, ich begleite dich rasch nach Hause.“ Conni konnte es einfach nicht sehen, wie ihre Nachbarin sich abquälte, obwohl sie sich kaum etwas anmerken ließ.

„Nein, nein! Geh du hübsch deiner Wege. Ich will noch kurz zum Bäcker. Gönn mir einen dicken Berliner zum Kaffee. Heute gibt‘s welche im Angebot.“

Just in diesem Moment kam eine der beiden Damen vorbei, die manchmal in Ennos Schreibwarenladen aushalfen. Sie wollte ebenfalls zum Supermarkt und nahm sich Hannah gleich an. Deshalb betrat Conni beruhigt den Frisiersalon. Das leise klingende Bim-Bam des Türglöckchens, welches wohl schon seit einer halben Ewigkeit dort seinen Dienst verrichtete, kündigte neue Kundschaft an. Sogleich stand Martina bereit, ganz zuvorkommende Geschäftsfrau, um Conni lächelnd aus der Jacke zu helfen.

„Das ist doch nicht nötig, Martina!“

„Papperlapapp! Du bist meine Kundin, also eine Königin! Und so wirst du auch behandelt!“

Sie lachten einander herzlich an.

Martina war eine Meisterin ihres Handwerks, wie sie im Buche stand, lebenslustig und energiegeladen noch dazu. Mitte 50, allerdings wirkte sie gut und gerne etliche Jahre jünger. Kein Wunder, so wie sie drauf war und stets auf sich achtete. Ihr Salon florierte. Vor ein paar Jahren hatte sie in Thüringen sogar noch einen weiteren eröffnet.

„Immer herein in die gute Stube, Conni! Setz dich gleich hierher!“ Martinas diesmal tiefschwarze, perfekt gestylte Kurzhaarfrisur mit den auberginefarbenen Strähnchen stand ihr ausgezeichnet. Wenn‘s auch nicht der Stil war, wie jederfrau ihn sich für die eigene Persönlichkeit vorstellen konnte. So hatte die Friseurin dennoch für Jan und Jedermann stets gute Tipps parat.

„Danke, dass du so kurzfristig einen Termin frei hattest!“ Conni ließ sich in den behaglichen Frisierstuhl sinken.

„Für dich doch immer, meine Liebe!“ Was Martina wohl zu jedem sagte. „Verrätst du mir, was du Aufregendes vorhast am Wochenende, wofür du unbedingt noch ein bisschen aufgehübscht werden willst?!“

Ein weiter Frisierumhang in hellem Orange wurde umgelegt. Der komplette Salon war in warmen Braun- und Orangetönen gehalten. Ganz wunderbar passten auch die vielen Blumentöpfe in den gleichen Farben dazu, prallvoll mit leuchtend grünen Farnen. Die Friseurin hatte schon von je her ein Faible für diese Pflanzen.

Ihre warmen Hände griffen in Connis Haar, während sie aufmerksam das Spiegelbild vor sich betrachtete. „Sag mir, was wollen wir heute machen? Wie immer, oder mal etwas Neues ausprobieren?“

„Na ja“, zögerte Conni, „was will man schon großartig verändern?“

Meistens hatte sie keine gesteigerte Lust, sich eingehender zu betrachten. Sie wollte nicht so genau erkennen, dass sie keine 25 mehr war. Wollte dieses Gesicht nicht näher ergründen, dessen Haut nicht mehr so glatt war wie früher, um dessen Augen sich Fältchen gebildet hatten, die man auch auf der Stirn und um die Mundwinkel herum nicht übersehen konnte. Das ehemals so strahlende Grün der Augen schien eingetrübt und nicht jedes Mal, wenn sie lachte, erreichte es ihren Blick.

Nur gut, dass der weite Umhang alles andere so gut versteckte. Was hätte man schon entdecken können? Eine Frau, die bald ein halbes Jahrhundert zählte. Überflüssige Pfunde, die sich nach jeder Schwangerschaft breit gemacht hatten. Zudem durch manch trügerischen Trost, den eine Tafel Schokolade vorgaukelte. Wovon man aber trotzdem nicht lassen konnte. Jeder zeitweilige Anfall von innerer Auflehnung schien für die Katz!

Natürlich konnte man mit gut geschnittenen Kleidungsstücken allerlei kaschieren oder gewollt betonten. Möglichkeiten gab es da immer. Weitaus besser wäre natürlich, man erhielte sich seinen Körper auf andere und aufmerksamere Weise. Nur leider, leider war das nicht jedermanns Sache. Allerdings durfte man sich dann auch nicht wundern oder gar beschweren, wenn man den Arsch nicht hochbekam!

Conni wunderte sich ja gar nicht, und beschweren wollte sie sich gleich überhaupt nicht. Sie nahm schon an, was die Jahre aus ihr gemacht hatten, mehr oder weniger. Benutzte zwar hin und wieder ein täuschendes Hilfsmittel, aber meistens blieb dabei ein schaler Beigeschmack zurück. Weil es sich unecht anfühlte. Wie eine Art von Betrug, und dabei schien nicht mal das schlimmste, dass man anderen etwas vorgaukelte, sondern ganz besonders sich selbst. Man konnte so viel Augenwischerei betreiben wie man wollte. Denn vor dem eigenen Spiegelbild nutzte alle Schönfärberei nichts und Selbstbetrug schon gleich überhaupt nicht.

Aber eigentlich wollte Conni längst über diesen Eitelkeiten stehen, wollte zufrieden sein mit ihrem ICH und zwar genau so, wie es nun mal war, vielleicht sogar ab und an ein wenig stolz auf sich sein. Weil das menschliche Wesen doch so viel mehr ausmachte als nur seine äußere Hülle. Eine Ausstrahlung bekam man erst mit einer Anhäufung von Lebensjahren, so stand es jedenfalls geschrieben. In all diesen Kalendersprüchen oder wo man’s sonst noch lesen wollte.

An manchen Tagen gelang das sogar, an anderen wiederum schien es einem ziemlich gleichgültig zu sein. Die ganz schlimmen Zeiten jedoch waren die, wo man trotz und allem nicht nur dieses menschliche Wesen, sondern auch eine ansprechende Hülle sein wollte. Aber für wen? Und warum?

„Also, meine Liebe!“, vertrieb Martinas heitere Stimme die wehmütigen Betrachtungen.

„Warum so deprimiert heute?“ Sie bauschte noch einmal Connis Haare auf und entschied: „Mir ist, als sei es an der Zeit für eine

Publisher: BookRix GmbH & Co. KG

Publication Date: 10-05-2015
ISBN: 978-3-7396-1671-1

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Wenn Mauern fallen (Hilde Willes) (2024)
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Name: Virgilio Hermann JD

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